Der Satz aus der heutigen Lesung klingt schlicht und ist doch tief:
„Seht, welche Liebe uns der Vater geschenkt hat: Wir heißen Kinder Gottes, und wir sind es.“ (1 Joh 3,1)
Das ist keine Vertröstung auf später, kein „vielleicht einmal im Himmel“. Nein – wir sind jetzt schon Kinder Gottes. Das heißt: Gott schaut uns an mit den Augen der Liebe. Er sagt zu jedem und jeder von uns: „Du bist mein Kind. Du bist mir wichtig. Du bist geliebt.“ Und weil wir Kinder Gottes sind, sind wir auch berufen, heilig zu leben nicht erst irgendwann, sondern hier und heute.
Wenn wir „Heilige“ hören, denken wir vielleicht zuerst die ganz Großen: Franz von Assisi, Mutter Teresa, und wie sie alle heißen mögen. An Menschen, die ihr Leben ganz Gott anvertraut haben.
Aber das Fest Allerheiligen erinnert uns: Es gibt unzählige Heilige ohne Namen, ohne Heiligenbild, ohne Denkmal. Menschen, die in ihrem Alltag Liebe gelebt haben. Treu, still, manchmal auch mühsam.
Vielleicht war’s die Großmutter, die immer Zeit hatte zuzuhören.
Oder der Vater, der seine Familie getragen hat, auch wenn’s schwer war.
Oder jemand, der in Krankheit oder Trauer trotzdem Hoffnung bewahrt hat.
Diese Menschen unsere Heiligen von nebenan denken wir heute mit.
Wir werden gleich hinausgehen auf den Friedhof, um an sie zu denken. Ihre Gräber zu segnen, und Gott zu danken für das, was sie uns geschenkt haben.
Aber was heißt das eigentlich: „heilig leben“? Wie geht das mitten im ganz normalen Alltag?
Im Evangelium heute hören wir die Seligpreisungen. Worte, die Jesus damals auf dem Berg gesprochen hat. Sie zeigen uns heute, wie Heiligkeit aussieht:
„Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich.
Selig die Trauernden; denn sie werden getröstet werden.
Selig die Sanftmütigen; denn sie werden das Land erben.
Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden gesättigt werden.
Selig die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden.
Selig, die rein sind im Herzen; denn sie werden Gott schauen.
Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Kinder Gottes genannt werden.
Selig, die verfolgt werden um der Gerechtigkeit willen; denn ihnen gehört das Himmelreich.
Selig seid ihr, wenn man euch schmäht und verfolgt und alles Böse über euch redet um meinetwillen… euer Lohn wird groß sein im Himmel.“ (Mt 5,3-12)
Das ist der Weg der Heiligkeit: nicht Macht, nicht Erfolg, nicht Ruhm. Sondern Demut, Barmherzigkeit, Friede, Vertrauen.
Heiligkeit wächst dort, wo Menschen in Liebe handeln. Wo sie gerecht sind, wo sie ein reines Herz haben, wo sie den Frieden suchen.
Heiligkeit ist nichts Abgehobenes. Sie beginnt in den kleinen Dingen:
– in einem freundlichen Wort,
– in einem ehrlichen Handgriff,
– in der Geduld, die man aufbringt,
– in der Zeit, die man schenkt,
– im Verzeihen, auch wenn’s schwer fällt.
Da, wo wir mit Liebe leben, da strahlt schon etwas vom Himmel auf die Erde. Und da zeigt sich, was Johannes sagt: „Wir sind Kinder Gottes.“ (vgl. 1 Joh 3,1)
Wenn wir gleich hinausgehen auf den Friedhof, dann tun wir das in diesem Glauben: Unsere Verstorbenen sind nicht verloren. Sie sind bei Gott vollendet, in seiner Liebe geborgen.
Und was Gott in ihnen vollendet hat, das will er auch in uns vollenden.
Darum ist Allerheiligen kein trauriger Tag. Es ist ein Tag der Hoffnung ein Tag der Liebe Gottes, die stärker ist als der Tod.
Wenn Ihr nachher an den Gräbern steht, denkt nicht nur an das, was vergangen ist, sondern auch an das, was bleibt – die Liebe, die weiterlebt.
Und nehmt diesen Gedanken mit: Wir sind Kinder Gottes. Und wir sind berufen, die Seligpreisungen zu leben – hier und jetzt.
Dann wird unser Leben selbst ein Stück Himmel auf Erden.
