Platz für alle. Alle, alle, alle! – Predigt zum 20. Sonntag im Jahreskreis

Sie hat schon Geduld, diese Frau, die Jesus heute im Evangelium begegnet.
Die kanaanäische Frau, die Heidin aus dem Gebiet von Tyrus und Sidon, ist ganz schön hartnäckig und am Ende bescheinigt ihr Jesus sogar einen großen Glauben.
Das Heikle an der Begegnung ist nicht nur, dass sie eine Frau ist – Jesus bricht das Tabu in der damaligen Öffentlichkeit mit Frauen zu sprechen ja des Öfteren. Das eigentlich Heikle ist, dass sie eine Heidin ist, keine Jüdin sondern eine Frau mit heidnischem Glauben ist.
Jesus geht schweigend an ihr vorüber. Und als sie nicht lockerlässt, weist er sie wieder ab: „Es ist nicht recht, das Brot den Kindern wegzunehmen und den kleinen Hunden vorzuwerfen.“ (Mt 15,26)

Doch die Frau „greift den Vergleich mit den Hunden auf und steigt auf eine Argumentation ein, die schlüssig ist: Hunde bekommen kein Brot, aber zumindest Brotreste, die vom Tisch der Herren fallen. … Indem sie auf die absurde bildhafte Argumentation einsteigt, hält sie ihm einen Spiegel vor Augen. Und Jesus sieht und versteht. Die zentrale Deutung liegt nahe: Der Autor des Matthäus-Evangeliums schildert, wie Jesus begreift, dass seine Botschaft von einem heilenden und befreienden Gott nicht nur an Israel gerichtet ist.“
 Davon war Jesus ja ausgegangen, dass er nur zu den Israeliten gesandt sei (vgl. Mt 15,24)
Es scheint fast, als ob der Mut, die Beharrlichkeit, die Demut und der Glaube dieser Frau Jesu Horizont weitet. Seinen Aktionsradius weitet er auf alle Fälle vom Jüdischen Volk auch zu den Heiden.

Was Jesus hier tut, scheint mir ein Quantensprung, ein Schritt, ohne den wir heute vielleicht nicht hier wären. Mich beeindruckt, dass Jesus selbst seine Einstellung zu ändern bereit ist. Die Frau hat ihm dabei geholfen. Jesus öffnet so seine Botschaft – die Botschaft, dass Gott die Menschen liebt – ausdrücklich auf alle Menschen. Unabhängig von ihrer Volkszugehörigkeit, von ihrer Herkunft, ihrem Geschlecht.
Am Ende des Matthäusevangeliums wird Jesus seinen Jüngern den Auftrag geben: „geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe.“ (Mt 28,19f)

Auf diesem Hintergrund verstehe ich, was Papst Franziskus beim Weltjugendtag in Lissabon mehrmals gesagt hat: „Die Kirche hat Platz für alle. Alle, alle, alle!“ Wenn Jesus seinen Horizont so weitet, dann muss auch die Kirche weit sein. Engstirnigkeit und Absondern widersprechen dem, was Jesus selbst getan hat.
Gleichzeitig zeigt Jesus in der Begegnung mit der kanaanäischen Frau, dass die Weitung Zeit und Beharrlichkeit, Geduld und Mut und vor allem einen großen Glauben braucht. Das gilt für Jesus, das gilt für die Kirche, das gilt für jede und jeden von uns.


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