Wenn mein Bruder/meine Schwester gehen mich sündigt – Predigt am 23. Sonntag im Jahreskreis

Im Evangelium dieses Sonntags geht es um eines der schwierigsten Dinge im Umgang miteinander.
Was tun, „wenn dein Bruder (deine Schwester) gegen dich sündigt“ (Mt 18,15)?

Eine mehrstufige Vorgehensweise stellt Jesus vor:
1. Das Vier-Augen-Gespräch.
2. Ein Gespräch unter Zeugen.
3. Die Vorlage in der Gemeinde. 
Und 4. noch eine Stufe mehr.

Ziel ist es, den Bruder / die Schwester zurück zu gewinnen (vgl. Mt 18,15). Das macht schon deutlich, wie das Vier-Augen-Gespräch aussehen soll: gewinnend, nicht abschreckend, nicht konfrontativ, sondern so, dass mein Gegenüber gewonnen wird, eine Möglichkeit hat, zurück zu kehren, umzukehren. Er soll die Gelegenheit erhalten, sein Verhalten zu korrigieren.
Es geht um die „correctio fraterna“, wie es der heilige Benedikt in seiner Regel nennt. Es geht darum, dass der andere die Möglichkeit und die Gelegenheit erhält, sein Verhalten zu korrigieren, sich zu (ver-) bessern. Und dazu ist das gewinnende Gespräch unter vier Augen sicher der erste gebotene Schritt.
Dass das nicht einfach ist, weiß jeder, der ein solches Gespräch schon einmal versucht hat. Geduld und Fingerspitzengefühl sind gefragt. Es geht um konstruktive Kritik.

Erst wenn der Andere so nicht gewonnen werden kann, geht es zur Stufe zwei.
„Hört er aber nicht auf dich, dann nimm einen oder zwei mit dir, damit die ganze Sache durch die Aussage von zwei oder drei Zeugen entschieden werde.“ (Mt 18,16)
Die Hinzugezogenen können helfen, die Sache „von außen“ zu betrachten. Sozusagen als neutrale Beobachter zu fungieren. Sie sollen nicht Richter sein. Das Evangelium „spricht … nur von der Bestätigung der „Sache“, nicht aber von einem – förmlichen – Urteil.“

Wenn der Bruder oder die Schwester auch so nicht gewonnen werden kann, „dann sag es der Gemeinde!“ (Mt 18,17) Erst in Stufe drei wird die Öffentlichkeit eingeschaltet! Aber auch nicht irgendeine Öffentlichkeit! Die Gemeinde, griechisch ἐκκλησία ist die christliche Gemeinde, wie sie sich beispielsweise zum Gottesdienst versammelt. Es ist die Versammlung, die für sich bewusst hat, dass sie im Namen Jesu versammelt ist. Es ist die Gemeinde, in der man sich – bewusst oder unbewusst – zum gemeinsamen christlichen Leben und Handeln entschlossen hat.

Und wenn das alles nichts nützt, „dann sei er für dich wie ein Heide oder ein Zöllner“ (Mt 18,17)
Auf den ersten Blick sagt das: „dann sei er ausgeschlossen“. Das wäre eine Möglichkeit.
Doch wenn wir uns ins Gedächtnis rufen, wie Jesus mit Heiden und erst recht mit Zöllnern umgeht, dann ist selbst bei Stufe vier im Umgang mit dem Bruder oder der Schwester, die schuldig geworden ist, noch nicht Schluss. Wie liebevoll geht Jesus mit der heidnischen Frau am Jakobsbrunnen um? Heilt er nicht auch Menschen, die IHM von sogenannten Heiden anempfohlen werden? Und wie geht ER mit den Zöllnern um? – Zachäus, Levi und wie sie alle heißen. – Er isst sogar mit ihnen (worüber sich die Pharisäer deutlich aufregen)!

Was tun, „wenn dein Bruder (deine Schwester) gegen dich sündigt“ (Mt 18,15)?

Der Weg, den Jesus uns heute vorlegt ist nicht einfach. Und auch Christen beschreiten diesen Weg oft nicht.
Vielleicht ist es deshalb nötig, dass ihn uns Jesus wieder einmal vorlegt:
1. Vier-Augen-Gespräch.
2. Gespräch unter Zeugen.
3. Vorlage in der ἐκκλησία.
Und 4. – wenn das alles nichts nützt – ihn wie einen Heiden oder Zöllner ansehen und wie Jesus sie behandelt mit ihm umgehen.

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