Dreimal taucht der Apostel Thomas in den Evangelien auf. Jedes Mal bei Johannes. Der Name Thomas leitet sich ab aus dem aramäischen ta’am, was „gepaart“ oder „Zwilling“ (griechisch „δίδυμος – didymos“) bedeutet. (1)
Ansonsten erfahren wir recht wenig über ihn.
Aber vier Zitate überliefert und das Johannesevangelium:
„Lasst uns mit ihm gehen, um mit ihm zu sterben!“ (Joh 11,16)
Vor der Auferweckung des Lazarus, kurz nachdem Jesus der Steinigung durch die Juden entgangen war, entschließt er sich, wieder nach Judäa zu gehen. Ein lebensgefährlicher Entschluss. Die anderen Jünger versuchen Jesus die Gefahr klarzumachen, in die er sich begibt: „Rabbi, eben noch suchten dich die Juden zu steinigen und du gehst wieder dorthin?“ (Joh 11,8). Aber Thomas sagt: „Lasst uns mit ihm gehen, um mit ihm zu sterben!“ (Joh 11,16). Klar und ganz schön mutig klingt das. Thomas scheint auf Jesus zu vertrauen, mit allen Konsequenzen. Und noch etwas fällt auf: Thomas macht keinen Alleingang, sondern bezieht seine Freunde mit ein: Wir gehen mit und wir sterben für Jesus. (Kim Rosta) Thomas auch ein Teamplayer?
Die zweite Szene, in der Thomas zitiert wird, spielt sich im Abendmahlssaal ab: Jesus hatte den Jüngern gerade gesagt, dass er zum Vater gehen werde, um für jeden einen Platz vorzubereiten. Und dass er die Jünger auch dorthin holen werde. Den Weg dorthin würden sie kennen. Darauf wendet Thomas ein: „Herr, wir wissen nicht, wohin du gehst. Wie können wir dann den Weg kennen?“ (Joh 14,5) Er bringt die Frage, die sich vielleicht auch die anderen Jünger stellen, ins Wort. Thomas erscheint mir als ein praktisch denkender Mensch, der verstehen möchte. Und Jesus erklärt sich ihm und den anderen: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich.“ (Joh 14,6)
Und schließlich kommt Thomas am Sonntag nach der Auferstehung Jesu wieder im Abendmahlssaal zu Wort. Er hatte von den Anderen gehört, dass Jesus auferstanden sei. Eine unerhörte und für einen realistisch denkenden Menschen absurd klingende Behauptung. Mir erscheint es nur verständlich, dass Thomas darauf sagt: „Wenn ich nicht das Mal der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in das Mal der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht.“ (Joh 20,25)
Seine Aussage hinterfragt. Sie könnte auch von einem aufgeklärten und modernen Menschen stammen. Thomas zeigt, dass er nicht naiv und gutgläubig sein, sondern seine eigene Erfahrung machen möchte. Das hat ihm ungerechtfertigterweise den Titel „Ungläubiger“ eingebracht. Denn auch die anderen Jünger hatten ihre Schwierigkeiten mit der Botschaft von der Auferstehung. Denken wir an die klagenden und weinenden Jünger, denen Maria Magdalena die Auferstehungsbotschaft bringt. „Als sie hörten, er lebe und sei von ihr gesehen worden, glaubten sie es nicht.“ (Mk 16,11) Oder an Kleopas und seinen Kollegen, die auf dem Weg nach Emmaus Jesus begegnet waren: „Auch sie gingen und berichteten es den anderen und auch ihnen glaubte man nicht.“ (Mk 16,13) Thomas befindet sich mit seinem „Unglauben“ unter seinen Kollegen also in guter Gesellschaft. Ich stelle mir vor, dass vielleicht der eine oder andere Mitapostel den gleichen Einwand wie Thomas vorgebracht hätte, wenn er nicht schon selbst dem Auferstandenen begegnet wäre.
„Erst als Jesus sich ihnen persönlich zeigt, glauben sie endlich. Thomas ist also nicht der einzige, sondern lediglich der letzte Zweifler der Zwölf. …
Jesus reagiert auf Thomas‘ Zweifel völlig unmenschlich. Er hält ihm weder eine Moralpredigt, noch verurteilt er ihn. Er zeigt Thomas seine Hände und lässt ihn seine Wunde fühlen, in die der Speer bei der Kreuzigung gestoßen wurde. In diesem Moment realisiert Thomas, wer vor ihm steht: sein ganz persönlicher Herr, sein Gott. Thomas erkennt Jesus nicht nur als den erwarteten Messias, sondern als seinen persönlichen Retter. Thomas zweifelte, doch nachdem er von der Wahrheit überzeugt wurde, ist er Feuer und Flamme für seinen Herrn.
Der Jünger Thomas ist mehr als ein Zweifler. Er lehrt uns, dass wir mit frohem Herzen ganz unperfekte Nachfolger sein dürfen. Was zählt, sind nicht die offenen Fragen oder Zweifel, sondern unsere Hingabe und Liebe gegenüber Jesus.“ (Kim Rosta)
Ich bin dem Thomas dankbar für seinen Mut, seine Entschiedenheit. Wie er dürfen wir unsere Fragen und Einwände laut sagen. Wir dürfen und müssen das Zeugnis anderer hinterfragen. Und Jesus möchte, dass auch Sie und ich unsere eigenen Erfahrungen machen. Denn nur wenn jeder und jede eigene Erfahrungen mit Jesus macht, dem Auferstanden und Lebendigen Jesus in seinem eigenen Leben begegnet, werden wir – wie Thomas – aus ganzem Herzen zu Jesus und über Jesus sagen können: „Mein Herr und mein Gott.“ (Joh 20,28)
Jesus! Zeig dich uns!