Der Herr des Hauses ist nicht da. Der Herr der Welt scheint verreist zu sein. Gott hat uns verlassen.
Das könnte man meinen, wenn man die derzeitige Situation in weiten Teilen der Welt, in unserem Land, in der Kirche und in vielen persönlichen Schicksalen anschaut.
Wo ist Gott denn, wenn die ohnehin schon armen unter der Pandemie immer noch ärmer werden?
Wo ist Gott angesichts der steigenden Infektions- und Todeszahlen?
Wie zeigt ER sich denn in der Kirche, die eingestehen muss, dass Repräsentanten in ihr unbeschreibliche Verbrechen und scheinbar unverzeihliche Fehler begangen haben?
Wie sollen wir IHN denn in einer Kirche sehen, die in vielem um sich selbst kreist und in der immer mehr Energie aufgewandt wird, um das zu retten, was man über Generationen als wichtig für ein christliches Leben betrachtet und was sich an – angeblich christlichen – Traditionen angesammelt hat?
Hat sich Gott abgewandt? Ist er verreist? Hat er uns im Stich gelassen?
In der Tat: es scheint „wie mit einem Mann, der sein Haus verließ, um auf Reisen zu gehen“ (Mk 13,34a). So wie es Jesus in dem Gleichnis geschildert hat. „Er übertrug alle Verantwortung seinen Dienern, jedem eine bestimmte Aufgabe; dem Türhüter befahl er, wachsam zu sein.“ (Mk 13,34b)
Die, die in der Nachfolge seiner Jünger als Christen leben, hat ER zu Türhütern bestimmt. UNS hat ER – bildlich gesprochen – zu Türhütern bestellt. Wer sollte Gott, wenn er in diese Welt – in unsere Welt – eintreten will, die Türe öffnen, wenn nicht WIR Christen?
Liebe Schwestern und Brüder!
Es ist unsere Aufgabe Türhüter in dieser Welt zu sein.
Was müssen wir tun, um diese Aufgabe gut zu erfüllen?
Der Türhüter in der Antike hat grob gesagt zwei Aufgaben:
Erstens bewacht er den Eingang des Hauses und schützt es vor Unbefugten.
Und zweitens begrüßt er den Herrn des Hauses standesgemäß, lässt ihn ein und weist die übrigen Bewohner des Hauses darauf hin, dass der Hausherr zurückgekehrt ist.
Um das Haus zu bewachen muss der Türhüter wachsam sein. Er darf nicht schlafen, er muss auf der Hut sein. Er muss sich jeden anschauen, der sich Zutritt verschaffen will.
Für uns als Türhüter bedeutet das: Nicht zu pennen und nicht zu verschlafen. So ausgeschlafen zu sein, dass wir uns genau anschauen, wer und was in unserer Welt Einzug halten will.
Das, was uns da an der Tür begegnet, mit beiden Augen und kritisch anzuschauen.
Es mit wachsamem Blick anzuschauen.
Wie oft versucht der, der unsere Welt in Unordnung bringen möchte, einzudringen?
Wie oft versuchten sich Bosheit, Ungerechtigkeit und Unrecht unserer Welt zu bemächtigen? Wie oft schon hat der, der sich selber an die Stelle Gottes stellen möchte, – doch in Wahrheit gegen IHN steht – versucht, die Herrschaft an sich zu reißen?
Er versucht es immer noch!
Nicht nur in der großen Weltpolitik, sondern auch in unseren Familien und auch in der Kirche?
Der Türhüter muss wachsam sein und in der Lage, den Eindringling abzuwehren.
Ich frage mich: sind wir ausreichend gewappnet?
Nicht mit Waffen dieser Welt.
Vielmehr so, wie es Paulus an die Gläubigen in Ephesus schreibt:
„Zieht die Waffenrüstung Gottes an… Steht so da: eure Hüften umgürtet mit Wahrheit, angetan mit dem Brustpanzer der Gerechtigkeit, die Füße beschuht mit der Bereitschaft für das Evangelium des Friedens. Greift zum Schild des Glaubens! … Und nehmt den Helm des Heils und das Schwert des Geistes, das ist das Wort Gottes! Hört nicht auf, zu beten und zu flehen! Betet jederzeit im Geist; und seid wachsam.“ (Eph 6,11-18)
Liebe Schwestern und Brüder!
Es ist unsere Aufgabe wachsame und gerüstete Türhüter zu sein.
Türhüter, die auf den Herrn warten.
Nicht dass ER nicht auch ohne uns in die Welt kommen würde.
Aber in unserer Aufgabe als Türhüter müssen wir wachsam genau hinsehen.
Manchmal kommt Gott unbemerkt, manchmal in einem Gewand, in dem wir IHN nicht vermuten: in den Armen, Notleidenden und Hilfsbedürftigen.
Manchmal kommt Gott in den Herausforderungen, die uns im gegenwärtigen Augenblick zugemutet werden.
Wie schön wäre es, wenn er nur leicht zu erkennen, in schönen und willkommenen Ereignissen käme!
Doch auch hier müssen wir wachsam sein, damit nicht der Wolf im Schafspelz eintritt.
Als SEINE wachsamen Türhüter ist es unser aller Aufgabe, die Menschen in der Welt auf die Gegenwart Gottes hinzuweisen.
IHM die Tür zu öffnen.
Von IHM zu sprechen.
IHN zu bezeugen, auch wenn das manchmal nicht so einfach ist.
Wie soll Gott in unseren Familien einziehen, wenn WIR IHN nicht einlassen?
Wie soll Gott in unsere Gesellschaft einziehen, wenn WIR IHN nicht einlassen, nicht auf sein Wirken hinweisen, nicht Zeugnis von IHM geben.
Uns, liebe Schwestern und Brüder, Sie und Sie und Dich und mich ruft Gott als Türhüter.
Als wachsamen Türhüter.
Denn er ist nicht ausgeflogen. Gott ist nicht verreist. Und er hat sich schon gar nicht von uns und von dieser Welt verabschiedet. Ganz im Gegenteil!
ER will hier ankommen. ER will bei uns ankommen.
Wann genau, das wissen wir nicht.
Aber ER wird kommen.
Wir sind die Türhüter. Und zurecht mahnt uns Jesus: „Seid wachsam!“ (Mk 13,37)
Super diese Predigt – schon Franz W., der beim Sonntagsgottesdienst war, hat diese Worte positiv kommentiert.
Du hast eine Gabe, das Evangelium auf einen Punkt zu bringen, diesmal eben „der Türhüter“. Das bleibt!
Danke vielmals!