Wie bereits im Evangelium des vergangenen Sonntags (vgl. Mk 8,31f), kündigt Jesus auch heute an, dass er den Händen der Menschen ausgeliefert, getötet und nach drei Tagen von den Toten auferstehen wird. (vgl. Mk 9,31)
„Aber sie verstanden das Wort nicht.“ (Mk 9,32)
Die Männer, die Jesus als Apostel erwählt und die er in die Geheimnisse des Reiches Gottes eingeweiht hatte, verstehen nicht, was er sagt. Was Jesus sagt, stößt bei den „Insidern“, bei denen, die ihn an besten kennen müssten, auf Unverständnis. Und sie fürchten sich noch dazu, ihm ihr Unverständnis zuzugeben und Jesus einfach zu fragen: „Hey, von was redest Du da?“, „Klär uns auf!“, „Erklär uns was Du da meinst!“
Wie begriffsstutzig bleiben sie – trotz ihrer Erwählung zum Apostelamt – gefangen in ihrer menschlichen Unzulänglichkeit.
Unterwegs hätten sie dann die Gelegenheit gehabt, miteinander über das zu diskutieren was Jesus gesagt hatte. Stattdessen aber streiten sie auf ihrem Weg darüber, wer von ihnen der Größte sei.
Hatte Jesus ihnen gerade zu erklären versucht, worauf es in Seinem Wirken ankommt und wie Er das Heil nicht nur für sie, sondern für die ganze Welt bewirken werde. Doch sie streiten sich um die Rangplätze, darum wer größer, wichtiger und würdiger ist.
Echt schräg!
Aber wenn ich mir das Verhalten von uns Menschen von heute, in unserer Gesellschaft, in unserer Kirche anschaue, scheint sich da bis heute nicht viel geändert zu haben. Streitet man sich doch auch heute nicht nur bei Olympia, bei der Europameisterschaft und der Bundestagswahl um die besten Plätze. Auch in der Kirche – nicht nur im Vatikan und in den Bischofshäusern und Ordinariaten, sondern auch in Gemeinden und Gemeinschaften – geht es nicht selten um die Frage, wer das Sagen hat, um Macht und Einfluss.
Und die Dinge, um die es wirklich gehen sollte, geraten dann schnell in den Hintergrund oder gar in Vergessenheit. Es scheint einfacher und vor allem reizvoller zu sein, die Machtfrage zu diskutieren, als darum zu wetteifern, wer sich als erster erniedrigen und einen unbeliebten Dienst übernehmen könnte.
Wie es dann im Evangelium weiter geht, scheint mir beinahe sympathisch zu sein: Die Jünger schweigen, als sie von Jesus gefragt werden, worüber sie unterwegs gesprochen haben. Als ob ihnen schon klar war, dass das, was sie sich da – vermeintlich unbemerkt von Jesus – gerade geleistet haben, ganz und gar nicht in Seinem Sinne war.
Und dann setzt sich Jesus hin und erklärt Seinen Jüngern SEINEN Maßstab. Er legt die Messlatte auf, an der sich bemisst, wer nach SEINEN Kategorien groß ist und Er zeigt unmissverständlich, worauf es bei IHM ankommt: „Wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der Diener aller sein.“ (Mk 9,35)
In jedem der vier Evangelien ist dieser ausdrückliche Gedanke Jesu überliefert. Schon für die ersten Christen scheint es wichtig gewesen und ausdrücklich erwähnenswert gewesen zu sein, genau das zu betonen. „An allen Vorkommensstellen (Mk 9,35; 10,43-45; Mt 18,1-4; Lk 9,46-48; 22,24-27; vgl. Joh 13,3-10) wird das Gesetz des Dienens als lebens – und gemeinschaftsbestimmend betont.“ (perikopen.de)
Mit Nachdruck betont Jesus mit dieser „Demutsregel“ den Kontrast zu den sonstigen irdischen Verhältnissen. Er charakterisiert die Gemeinschaft der Christen, die christliche Gemeinde, als eine Gesellschaft, in der es anders laufen soll als im Rest der Welt.
Mehr als deutlich weist Jesus der Gemeinde die Richtung, in die es bei ihr gehen soll. Diakonie, Dienst am Anderen und geschwisterliches Verhalten – darum geht es nach dem Maßstab Jesu. „Angesichts der bestehenden „Weltordnung“ mit ihrem Ringen um Führung und Macht zeigt die „neue“ Weisung an die Gemeinde ihren „unweltlichen“ und eschatologischen (auf die Erlösung ausgerichteten) Charakter. Jeder Missbrauch von Macht und Positionen im Kontext des kirchlichen Amtes steht dem quer gegenüber.“ (perikopen.de)
„Wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der Diener aller sein.“ (Mk 9,35)
In der Nähe und Gemeinschaft Jesu verbietet sich jede Form von Machtstreben.
Indem Jesus das Kind in die Mitte stellt und sagt: „Wer ein solches Kind in meinem Namen aufnimmt, der nimmt mich auf; und wer mich aufnimmt, der nimmt nicht nur mich auf, sondern den, der mich gesandt hat.“ (Mk 9,37) zeigt ER auch sichtbar SEINEN Maßstab.
Und gleichzeitig eine – SEINE – die dem Evangelium entsprechende – Weise, Gemeinschaft mit IHM zu haben und Gott zu begegnen.
Das Kind steht für die Kleinen, die unbedeutenden, die nicht beachteten; für die, die nichts zu sagen haben; für die, die man leicht übersieht.
An dem, wie wir mit denen umgehen, scheiden sich die Geister.
In denen begegnet uns Jesus. In ihrer Gegenwart verheißt uns Jesus Gottes Gegenwart.
Nicht zuletzt deshalb betont auch Papst Franziskus immer wieder als entscheidendes Kriterium für unser Christsein die Frage, wie wir mit den Kleinen, den Ausgegrenzten, den am Rand Stehenden und Ohnmächtigen umgehen. Echtes christliches Leben muss den Maßstäben der „Welt“, dem Streben nach Macht und Einfluss, dem Über- und Unterordnen entgegenstehen.
Ein echter Christ strebt danach, zu dienen.
Ich denke theoretisch werden mir – wenn ich so etwas sage – alle zustimmen.
Aber im konkreten Verhalten zeigt es sich dann:
Was hindert mich, der Putzfrau, die die Toilette aber hält, ein kurzes „Danke fürs Saubermachen“ zu zusprechen?
Was hindert mich, dem Kind, das mich anschaut, freundlich zuzuzwinkern?
Wieso hebe ich nicht einfach freundlich die Hand, wenn mich jemand hat durchfahren lassen, auch wenn er Vorfahrt gehabt hätte?
Es beginnt mit den kleinen Zeichen.
Nur selten habe ich keine freundliche Reaktion bekommen, wenn ich jemanden als erster grüße oder jemandem ein Lächeln schenke, auch wenn ich achtlos an ihm hätte vorbei gehen könnte.
Liebe Schwester und Brüder!
Im Evangelium dieses Sonntags zeigen uns die Jünger, wie es nicht gehen sollte. Weniger durch ihr Unverständnis als vielmehr dadurch, dass sie sich mit ihrem Rangstreit offensichtlich wenig um das kümmern was der Maßstab Jesu ist.
Und Jesus zeigt uns, indem Er das Kind in die Mitte stellt, sichtbar und deutlich, dass SEIN Maßstab die Kleinen und wenig Beachteten sind. Nicht nur als sozialen Aufruf, sondern mit der Zusage, dass uns in ihnen Gott begegnet.
Dass uns in den Kleinen Gott begegnet, durfte ich am Dienstag mit den Erst- und Zweitklässlern der Grundschule Ottmaring und am Freitag mit den Kindern der Grundschule Eurasburg in den Schulanfangsgottesdienst erfahren. Ich muss Ihnen sagen: in den Augen der Kinder, in ihrer Freude und Begeisterung war Gottes Gegenwart zu spüren.
Jeden Tag gibt es unzählige kleine und manchmal auch größere Gelegenheiten, in denen ich das, was Jesus seinen Jüngern zeigt, erleben kann. Ich wünsche uns allen heute und in der kommenden Woche viele solche Begegnungen mit Jesus in den Kleinen und Geringen und Erfahrungen der Gegenwart Gottes.
Wenn wir in diesen Begegnungen leben, was Jesus uns vorlebt, dann werden wir leichter auch das zu verstehen lernen, wovon Jesus am Anfang des Evangeliums gesprochen hat: den Sinn von Hingabe und Leiden und die Verheißung der Auferstehung.
Gut gebrüllt, Löwe!