„Sie haben alles gegeben.“ So sagt man, wenn sich jemand ausgepowert hat.
Eine Mannschaft außerordentlich gekämpft hat, um ihren Gegner zu bezwingen.
Wenn ein Sportler bis zum Letzen gegangen ist.
Wenn jemand für eine Prüfung gelernt hat wie in Verrückter.
„Sie haben alles gegeben.“
Heute begegnen uns im Gottesdienst drei Menschen, von denen man genau das sagen kann: „Sie haben alles gegeben.“
Die arme Witwe im Tempel
die Witwe von Sarepta,
und der heilige Martin, dessen Gedenktag wir heute feiern.
Die arme Witwe, „die kaum das Nötigste zum Leben hat, sie hat alles gegeben, was sie besaß, ihren ganzen Lebensunterhalt.“ (Mk 12,44)
Sie hat nichts zurückgehalten. Ich stelle mir vor, wie sie die Münzen versteckt und heimlich in den Opferkasten legt. Es ist ihr fast peinlich, dass es so wenig ist. Da sind doch auch die Anderen, die viel haben und viel geben können, ohne dass es ihnen weh tut. Aber dieser Frau wird das wenige, das sie Gott schenkt, weh tun, weil sie nicht mehr hat. Weil sie alles gibt. Und so ihr Vertrauen, ihr existenzielles Vertrauen auf Gott, unter Beweis stellt. Von ihr wird bis heute berichtet.
Die andere Frau, von der die Heilige Schrift im ersten Buch der Könige erzählt, die Witwe von Sarepta, ist völlig am Ende mit ihren Vorräten. Was sie noch hat, reicht gerademal für eine allerletzte Mahlzeit für sie und ihren kleinen Jungen. Und da fordert der Prophet Elija von ihr, dass sie ihm – dem Gottesdiener – ein kleines Gebäck macht und es ihm gibt.
„Der Mehltopf wird nicht leer werden und der Ölkrug nicht versiegen bis zu dem Tag, an dem der Herr wieder Regen auf den Erdboden sendet.“ (1 Kön 17,14) verheißt ihr der Prophet Elija.
Und weil sie es tut, weil sie alles gibt, darf sie, das angekündigte Wunder erleben. „Sie hat alles gegeben!“ und wird von Gott überreich beschenkt. Weil sie alles gegeben hat, hat sie auch Gott die Möglichkeit gegeben sie überreich zu beschenken. Und weil Gott da wo Menschen großzügig sind auch großzügig ist, ist diese Frau bis heute Erinnererin an die Großzügigkeit Gottes. Und bis heute ist sie ein Beispiel dafür,
dass Gott die, die auf sein Wort vertrauen, nicht hängen lässt.
Vielleicht hatte die Arme Witwe im Tempel ihr Beispiel im Hinterkopf, als die ihre zwei kleinen Münzen in den Opferkasten legte. Von beiden Frauen können wir sagen: „Sie haben alles gegeben!“
Auch vom heiligen Martin können wir sagen: „Er hat alles gegeben!“
Die schöne Geschichte, die in diesen Tagen immer wieder erzählt und gespielt wird, beschreibt ja, wie er seinen Mantel teilt und ihn dem armen Bettler gibt.
Im römischen Heer war es so, dass die Soldaten ihre Ausrüstung zur Hälfte selbst bezahlen mussten. Die andere Hälfte gehörte dem Kaiser. Den ganzen Mantel wegzugeben wäre eine Unterschlagung gewesen. Aber seine Hälfte hat Martin gegeben. „Er hat alles gegeben!“ Und das nicht nur da am Stadttor von Amiens. Auch später in seinem Leben als Christ und als Bischof hat er alles gegeben und war getragen von der Erfahrung, mit seinem Mantel und dem Bettler.
Wer alles gibt, der begegnet Christus. Ihn sieht er ja in der Gestalt des Bettlers in der nächsten Nacht im Traum. Ob er Christus begegnet wäre, wenn er nicht alles gegeben hätte?
Wer alles gibt, der kann Christus begegnen. Das lehrt uns die Legende vom heiligen Martin.
Wer alles gibt, der zeigt wahres Gottvertrauen, der gibt Gott die Möglichkeit Wunder zu tun. Das lehren uns die beiden Witwen im Alten und Neuen Testament. „Sie habe alles gegeben!“
Auch heute machen Menschen die Erfahrung, dass es sich lohnt, alles zu geben. Dass Gott das Seine drauflegt, auch wenn das was ich geben kann nur klein zu sein scheint, aber von ganzem Herzen kommt.
Eine Frau erzählt:
Seit längerem kümmere ich mich um meinen bettlägerigen Mann. Damit ist mein Aktionsradius sehr eingeschränkt. Eine Einladung zum Klassentreffen, das für mich eine dreistündige Fahrt bedeutet, flatterte ins Haus. Mir war sofort klar, dass ich meinen Mann über Nacht nicht allein lassen und somit auch nicht zu dem Klassentreffen fahren konnte. Meine Tochter kam mit ihren Kindern zu Besuch. Eher zufällig sah sie die Einladung auf dem Küchentisch liegen und fragte, ob ich teilnehmen wolle. Sofort fügte sie hinzu: „Selbstverständlich bleibe ich die zwei Tage bei Papa.“ Und auch ihr ältester Sohn sagte: „Ich bleibe auch bei Opa, damit er nicht allein ist.“ Seit langem konnte ich mal wieder zwei Tage unsere kleine Wohnung verlassen.
Eine andere Frau, Delia, lebt in einem Grenzort, der für viele Migranten zu einer Zwischenstation geworden ist. Sie erzählt:
An einem heißen Sonntagnachmittag habe ich auf dem Bürgersteig vor meinem Café viele Mütter mit ihren Kindern gesehen, die vor Hunger weinten. Ich habe sie herein gebeten und gesagt, dass ich den Kindern kostenlos etwas zu essen geben würde. Die Mütter schämten sich, weil sie kein Geld hatten, aber ich habe darauf bestanden, ihnen das Essen zu schenken. Sie haben es schließlich angenommen. Das hat sich herum gesprochen. Und so ist mein Café das der Migranten geworden. Die meisten kommen aus Afrika. Viele nennen mich „Mama Afrika“. Meine bisherigen Gäste sind nach und nach weggeblieben. So ist heute aus dem Raum, in dem die Senioren gespielt haben, das Kinderzimmer mit einem Wickeltisch geworden. Dort findet auch Sprachunterricht statt. Groß nachgedacht habe ich nicht. Es ging mir darum, nicht wegzuschauen. Und ich würde auch heute genauso handeln. Durch die Migranten
habe ich viele Menschen und Gruppierungen kennen gelernt, die mich unterstützen und die mir helfen, weiter zu machen.
Liebe Schwestern und Brüder!
„Sie haben alles gegeben!“
Wer bereit ist ganz auf Gott zu setzen, der wird nicht enttäuscht, der wird Freude, Zufriedenheit – Frieden und vieles andere von IHM bekommen.