Der „Abergeist“ damals und heute – Predigt am 4. Sonntag im Jahreskreis

Liebe Schwestern und Brüder!
Jesus heilt einen Besessenen.
Was hat es mit der Besessenheit auf sich? 
Es fallen einem vielleicht irgendwelche Horrorfilme ein, dunkle Gruselmonster, die sich in Menschen einnisten und sich ihrer bemächtigen. 

Schauen wir aber noch einmal die ganze Begebenheit genau an:
Jesus ist in Kapharnaum, einer Stadt am See Genezareth. Hier hatte er seinen „Stützpunkt“, von wo aus er in die Städte der Umgebung ging, um zu predigen. Es ist für den Juden Jesus ganz selbstverständlich, am Sabbat in Synagoge zum Gottesdienst zu gehen. Und es ist auch nicht ungewöhnlich, dass er dabei aus der Schrift vorliest und predigt.
„Und die Menschen waren voll Staunen über seine Lehre; denn er lehrte sie wie einer, der Vollmacht hat, nicht wie die Schriftgelehrten.“ (Mk1,22)
„Und sofort“ – so heißt es im griechischen Urtext – „war in ihrer Synagoge ein Mensch mit einem unreinen Geist und er schrie: Was (ist zwischen) uns und dir, Jesus Nazarener? Bist du gekommen, uns zugrunde zu richten? Ich kenne dich, wer du bist – der Heilige Gottes!“ (Mk 1,23)

Der Mensch steht in der Synagoge, mitten in der Stadt Kapharnaum. Er kann also kein Aussätziger gewesen sein, denn sonst hätte er draußen vor der Stadt bleiben müssen und schon gar nicht in die Synagoge zum Gottesdienst kommen können.

Was ist dann dieser „Geist“, den die Einheitsübersetzung mit „unreiner Geist“ übersetzt? 
Der Neutestamentler Fridolin Stier spricht im Zusammenhang mit der „Besessenheit“ vom „Abergeist“. (vgl. Nachwort zu seiner Übersetzung des Neuen Testamentes S. 577)
Das scheint mir treffend. Der „Abergeist“ ist in der Welt kräftig am Werk. Und nicht selten zeigt er sich auch, wenn Menschen mit Jesus in Berührung kommen: 
„Ja, aber das kann man doch nicht so radikal verstehen!“ 
„Ja, das, was Jesus da fordert, das kann man aber heute nicht mehr so umsetzen!“ 
„Ja, aber das haben wir früher oder bisher anders gemacht!“ 
„Ja, aber in der heutigen Zeit kann man das so nicht mehr sagen!“

Auch – und vielleicht gerade – in der Kirche begegnet mir der „Abergeist“ nicht selten. Und damals in der Synagoge von Kapharnaum hatte er sich auch eingeschlichen und wohl heftig eingenistet. Er schreit sogar: „Was (ist zwischen) uns und dir, Jesus Nazarener? Bist du gekommen, uns zugrunde zu richten? Ich kenne dich, wer du bist – der Heilige Gottes!“ (Mk 1,23)

Der „Abergeist“ weiß genau, dass ihm der lebendige Jesus Christus gefährlich wird. Und als Jesus ihm dann nicht nur befiehlt zu schweigen, sondern den Menschen zu verlassen, da ist sein Geschrei groß und der Mensch wird von ihm hin und her gerissen. „Und alle erschraken und einer fragte den andern: Was ist das? Eine neue Lehre mit Vollmacht: Sogar die Abergeister gehorchen seinem Befehl.“ (Mk 1,27)

Nicht nur nach Kapharnaum, sondern auch zu uns hier in unsere Gemeinde, in unseren Gottesdienst kommt Jesus. Nicht nur in die Synagoge damals,sondern auch zu uns in die Kirche heute kommt Jesus. Auch hier liest Jesus aus der Heiligen Schrift, auch hier predigt ER das Evangelium vom Reich Gottes.

Trifft ER auch hier auf Menschen, die den „Abergeist“ in sich tragen?
Trage auch ich den „Abergeist“ in mir?

Jesus kommt hier her. ER ist hier. ER hat nicht nur das Evangelium vom Reich Gottes dabei, das sich immer neu auch hier und heute verwirklichen will. ER tritt mit Vollmacht hier in unsere Mitte. Auch wenn ER auf den „Abergeist“ stoßen sollte.

Bitten wir IHN, dass ER den „Abergeist“ auch bei uns vertreibt.
Lassen wir IHN den „Abergeist“ vertreiben.
Und bitten wir Jesus, dass ER hier bei uns mit seiner Macht wirkt.


1 thought on “Der „Abergeist“ damals und heute – Predigt am 4. Sonntag im Jahreskreis

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert