Liebe Schwestern und Brüder!
„Es sind doch alle zehn rein geworden. Wo sind die übrigen neun?“ (Lk 17,17)
Um zu verstehen, worauf Jesus mit dieser Bemerkung abzielt, müssen wir uns die ganze Szene noch einmal vor Augen führen:
Jesus geht an der Grenze zwischen Galiläa und Samaria entlang.
In Samaria wohnen Leute, die nicht dem wahren jüdischen Glauben angehören.
Diese Leute leben nicht nach den Regeln der Thora, dem Gesetz der Bibel, wie wir es bei heute im Alten Testament nachlesen können.
Galiläa dagegen ist von frommen Juden bewohnt. Auch Jesus und seine Jünger kommen aus dieser Gegend. Fromme Juden haben sich an mehr als 600 Ge- und Verbote zu halten. Sie halten den Sabbat und vor allem Beten sie Jahwe – den Gott Israels – im Tempel von Jerusalem an.
Jerusalem liegt in Judäa. Doch um dahin zu gelangen, muss man von Galiläa kommend Samaria durchqueren. Auf genau diesem Weg befindet sich Jesus.
Vor einem Dorf – es wird nicht ausgeführt, ob es ein samaritisches oder ein galiläisches ist – kommen ihm zehn Aussätzige entgegen.
Ob die Kranken Juden oder Samariter sind bleibt offen, doch liegt es nahe, dass in dieser Gruppe beide vertreten waren.
Das Leid der Krankheit ist ihnen gemeinsam. Da werden Glaubensfragen vermutlich sekundär.
Sie sind Menschen, die von einer äußerlich sichtbaren Krankheit befallen sind.
Solche Leute waren aus der jeder Gesellschaft ausgeschlossen. Es bestand ja die Gefahr, dass man sich mit ihrer Krankheit anstecken konnte. Deshalb mussten sie außerhalb der Städte und Dörfer bleiben. Nicht einmal „Hausen“ wird man es wohl nennen können, denn Häuser befanden sich innerhalb der Siedlung. Häufig fristeten diese Leute in Höhlen ihr Dasein. Auch von „Leben“
möchte ich in diesem Zusammenhang nicht sprechen.
Niemandem war der Umgang mit Aussätzigen gestattet.
Sie mussten immer gebührenden Abstand zu den Gesunden halten.
Zur Sicherheit trugen sie häufig Glöckchen bei sich, die vor ihnen warnten.
Ein Aussätziger galt als einer, der sogar von Gott verlassen ist.
Die Zehn, die da in einiger Entfernung von Jesus stehen bleiben, verhalten sich also völlig korrekt.
Das Wort, das sie Jesus zurufen, kennen wir alle: ELEISON – erbarme Dich!
Kyrie eleison – Herr, erbarme Dich!
So rufen wir zu Beginn jedes Gottesdienstes, wenn wir uns die Verletzungen bewusst machen, unter denen wir leiden, oder die wir Anderen zugefügt haben.
„Jesus, Meister, hab Erbarmen mit uns!“ rufen die Zehn.
Und auch wir haben heute schon diesen Ruf gebraucht.
Das Wort „Meister“, das die Aussätzigen verwenden, gebrauchen Jesus gegenüber sonst nur seine Jünger.[1] – Sind diese Menschen also schon Jünger Jesu geworden, oder schon kurz davor?
„Als er sie sah, sagte er zu ihnen: Geht, zeigt euch den Priestern!
Und während sie zu den Priestern gingen, wurden sie rein.“ (Lk 17,14)
Man fragt sich vielleicht, welche Rolle hier die Priester spielen.
Im Buch Levitikus (Lev 13f), dem Dritten der Bücher des Mose, ist vorgeschrieben, dass jemand der Unrein geworden ist, zum Priester gehen muss, um seine Erkrankung feststellen zu lassen.
Ebenso muss einer, der vom Aussatz genesen ist, zu einem Priester gehen, um seine Genesung bestätigen zu lassen. Erst dann gilt er als rein und kann wieder in die Gemeinschaft mit den Menschen und auch mit Gott aufgenommen zu werden.
Die Männer gehen zu den Priestern und unterwegs werden sie rein.
Jesus was es, der sie rein gemacht hat.
Jesus ist der Heiland, der Menschen leiblich und auch geistlich heil – gesund – machen kann.
Liebe Schwestern und Brüder!
Dann passiert genau das, was Jesus zu den beiden Fragen bringt:
„Es sind doch alle zehn rein geworden. Wo sind die übrigen neun? Ist denn keiner umgekehrt, um Gott zu ehren, außer diesem Fremden?“ (Lk 17,17f)
Wem Jesus diese Frage stellt bleibt offen.
Vielleicht stellt er sie uns und so ist es sicher legitim, ein wenig über die Antwort zu spekulieren:
Haben sie gar nicht gemerkt, dass Jesus es war, der heilend in ihr Leben eingegriffen hat?
Haben sie Besseres zu tun gehabt, als deutlich hörbar „Danke!“ zu sagen?
Haben sie ihre bisherige schlimme Situation so schnell vergessen?
Oder schämten sie sich vor den Anderen in den gleichen Lobpreis einzustimmen, den der Samariter – der mit dem falschen Glauben – anstimmt? DEM zumindest bescheinigt Jesus, dass sein Glaube ihm geholfen hat (vgl. Lk 17,19)
Liebe Schwestern und Brüder!
Das Evangelium stellt mir und uns die Frage:
Habe nicht auch ich schon erlebt, dass Jesus in meinem Leben eingegriffen hat, dass er mich vor Schlimmerem bewahrt oder mich unerwartet beschenkt hat?
Haben wir nicht auch irgendwann schon einmal SEINE Nähe gespürt?
Auch wir gehören ja zu denen, die in jedem Gottesdienst „Kyrie eleison – Herr erbarme Dich“ rufen.
Und wie reagiere ich auf die Erfahrungen, die ich mir Gott, mit Jesus in meinem Leben schon gemacht habe?
Gehe auch ich zur Tagesordnung über, oder traue ich mich Ihn zu loben?
Was hält mich ab deutlich hörbar von meinen Erfahrungen mit IHM zu sprechen, IHN anzubeten, IHN lautstark zu preisen?
Ich frage mich:
Was hindert uns, Begeisterung für IHN zu zeigen? Andere Christen – unsere Mitmenschen – an meinen Erfahrungen mit Gott teilhaben zu lassen?
Oder habe ich vielleicht gar keine Erfahrungen gemacht? Nein, ich habe Gott schon gespürt. Er hat schon in mein Leben eingegriffen.
Ist es Angst voreinander, Scheu oder anderes, was Christen heute abhält, ihre Erfahrungen mit Gott zu teilen und IHN dafür zu loben?
Ich kann mir keinen Fußballfan vorstellen, der mit gefalteten Händen und ernster Mine dasteht, wenn für seinen Verein ein Tor gefallen ist. oder wenn sein Verein gar den Meistertitel bekommt.
Dass Menschen von ihren Glaubenserfahrungen froh Zeugnis geben können, das zeigt uns nicht nur der Samariter im Evangelium.
Jesus möchte heute auch uns dazu ermutigen.
Ich treffe Menschen die das tun und ich ich wünsche mir, täglich solchen Menschen zu begegnen und selbst solch ein Mensch zu sein.
Einer zu dem Jesus sagt: „Steh auf und geh! Dein Glaube hat dir geholfen.“ (Kl 17,19
[1] Quelle: http://www.perikopen.de/Lesejahr_C/28_iJ_C_Lk17_11-19_Wussow.pdf