Wie ist das Verhältnis von Mann und Frau?
Auf diese Frage lässt sich das zusammenfassen, was uns die Kirche mit den beiden Schrifttexten vorlegt, die wir gerade gehört haben. Dabei lohnt es sich, ganz genau hinzuschauen: Die Pharisäer fragen: „Ist es einem Mann erlaubt, seine Frau aus der Ehe zu entlassen?“ (Mk 10,2)
Welches Bild über das Verhältnis von Mann und Frau bildet den Hintergrund dieser so formulierten Frage? Steckt hier nicht im Hinterkopf, dass der Mann der Frau über- und die Frau dem Mann untergeordnet ist? Er kann sie entlassen. Als der Chef kann der Mann die Frau mit einem Kündigungsschreiben, der Scheidungsurkunde, aus der Ehe entlassen. Dass die Frau eine solche Urkunde ausstellen oder den Mann verlassen könnte, davon ist hier nicht die Rede. Es ist auch nicht im Denken der Pharisäer-Männer und es ist auch tatsächlich in der Zeit Jesu nicht denkbar. Die Frau gehört gewissermaßen zum Besitz des Mannes.
Jesus widerspricht dem klar und deutlich. Die ganze Denke dieser Pharisäer-Männer entspricht überhaupt nicht dem, wie es Gott ursprünglich gedacht hat. Deshalb verweist Jesus bei seiner Antwort auf den Anfang der Schöpfung, wo Gott den Menschen männlich und weiblich erschaffen hat (vgl. Mk 10,6). „Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen und die zwei werden ein Fleisch sein. Sie sind also nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch.“ (Mk 10, 7f) So zitiert Jesus den zweiten Schöpfungsbericht aus dem Buch Genesis.
Dort, am Anfang der Heiligen Schrift, wird nicht nur bildhaft erklärt, wie Gott die Welt und den Menschen erschaffen hat. Es wird auch klar und deutlich beschrieben, wie Gott das Verhältnis der Geschöpfe zueinander und das Verhältnis von Mann und Frau gedacht hat.
Im ersten Schöpfungsbericht (Gen 1) wird erzählt, wie Gott die ganze Welt erschaffen hat. Es beginnt mit der Ordnung, die Gott in das ursprüngliche Tohuwabohu gebracht hat, und endet mit der Erschaffung des Menschen als seinem Abbild „als Bild Gottes erschuf er ihn. Männlich und weiblich erschuf er sie.“ (Gen 1,27) Eingeordnet in die Ordnung der Schöpfung vertraut Gott dem Menschen alles an. Eine Über- und Unterordnung zwischen Mann und Frau ist daraus überhaupt nicht herauszulesen. Wohl aber eine Einordnung des Menschen in Gottes Schöpfungsordnung.
Im zweiten Schöpfungsbericht, den uns das zweite Kapitel der Bibel gleich im Anschluss überliefert, wird die Schöpfung mit anderen Bildern geschildert. Doch die inhaltlichen Grundaussagen sind die gleichen wie im ersten Schöpfungsbericht im ersten Kapitel der Bibel. Gott schafft den Menschen. Er nimmt dazu die Elemente her, die schon da sind. „Staub vom Erdboden“ (Gen 2,7). Das hebräische Wort für Mensch ADAM zeigt deutlich, woher der Mensch stammt: von der Erde, hebräisch ADAMAH. Deshalb wird an dieser Stelle bei manchen Übersetzungen der Mensch als „Erdling“ bezeichnet. Und diesem „Erdling“, haucht Gott nicht nur den Lebensatem ein, ER setzt ihn auch in den Garten Eden. Dahin, wo fast alles wächst, was der Mensch zum Leben nötig hat.
Eines aber fehlt dem Menschen noch: Mit modernen Worten würden wir heute sagen: Der Mensch ist nicht nur ein Individuum, sondern auch ein soziales Wesen. Gott selbst stellt fest: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist.“ (Gen 2,18) Und er beschließt – wie es die neue Einheitsübersetzung sagt – „Ich will ihm eine Hilfe machen, die ihm ebenbürtig ist.“ (Gen 2,18) Andere Übersetzungen schreiben: „eine Hilfe, die ihm entspricht“ (alte Einheitsübersetzung), „eine Gehilfin, die um ihn sei.“ (Luther), „ein Wesen, das ihm hilft und das zu ihm passt.“ (Gute Nachricht) bis hin zu „eine Braut, die ihm hilft und ihn respektiert. Und sie sollte auch irgendwie zu ihm passen!“ (Volxbibel)
Die Tiere, die Gott dann schafft sind allerdings keine ebenbürtigen Partner des Menschen.
Erst die Frau ist das Wesen, das dem ADAM ebenbürtig ist. Mit dem Wort eben-bürtig ist sehr gut zum Ausdruck gebracht, wie das Verhältnis zwischen dem Mann und der Frau ist: von Geburt an auf derselben Ebene. Und als Gott dem ADAM die Frau präsentiert jubelt der auf: „Das endlich ist Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch. Frau soll sie genannt werden; denn vom Mann ist sie genommen.“ (Gen 2,23)
Wie? „Frau soll sie genannt werden; denn vom Mann ist sie genommen.“? Martin Luther übersetzt, was im hebräischen Urtext steht mit „man wird sie Männin nennen, weil sie vom Manne genommen ist.“ Das gibt gekonnt wieder, dass im hebräischen Mann ISCH und Frau ISCHA heißt. Die Frau ist also im Urtext der Bibel allein schon vom Wort her auf der gleichen Ebene mit dem Mann, lediglich weiblich statt männlich. Auch hier ist eine Über- und Unterordnung eines der beiden in keiner Weise zu erkennen.
Wie ist das Verhältnis von Mann und Frau? So war meine Anfangsfrage.
So wie es ursprünglich von Gott gedacht und gemacht ist, wird durch die beiden Schöpfungsberichte eindeutig umschrieben: Eingefügt in die Schöpfungsordnung sind Mann und Frau auf der gleichen Ebene. Beiden gemeinsam ist die Schöpfung anvertraut, in deren Ordnung Gott sie gestellt hat.
Da, wo der Mensch eigene Wege geht, die Ordnung Gottes nicht mehr beachtet und sich nicht mehr nach dem Willen Gottes richtet, zerstört der Mensch diese ursprüngliche Ordnung. Da wo der Mensch seine Vorstellung an die Stelle des Planes Gottes setzt, beginnt das Unheil.
Das Buch Genesis erzählt gleich im dritten Kapitel den Sündenfall. Der Mensch – männlich wie weiblich – möchte sein wie Gott, setzt das Begehren seines Herzens über das Herzensanliegen Gottes. „Weil ihr so hartherzig seid“ (Mk 10,5) – wirft Jesus den Pharisäern vor. Herzenshärte ist der Zustand des Menschen, der sich allen Bemühungen Gottes um sein Heil widersetzt. (perikopen.de)
Darin liegt das Problem. Damit beginnt die Ausübung von Macht über den anderen. Hier beginnt die Ausbeutung und der Missbrauch des Anderen. Gott hatte es eigentlich anders gedacht. Gott hatte den Menschen, ja die Schöpfung, als Einheit erschaffen.
Da wo der Mensch nur auf sich schaut, da wo der einzelne Mensch – egal ob er Mann oder sie Frau ist – sich in den Mittelpunkt stellt und die Ebenbürtigkeit mit dem Anderen aufgibt, stört er nicht nur die ursprüngliche von Gott geschaffene Ordnung, sondern beginnt letztlich seine eigene Lebensgrundlage zu zerstören.
Das gilt übrigens nicht nur im Verhältnis der einzelnen Menschen zueinander. Das gilt auch im Verhältnis des Menschen zur ganzen übrigen Schöpfung.