Heute Nachmittag werden in Augsburg drei junge Männer zu Priestern geweiht. Einen davon habe ich fünf Jahre lang in meiner früheren Aufgabe als Seminardirektor im Spätberufenenseminar begleiten dürfen.
Für mich ist die Priesterweihe auch immer DIE Gelegenheit, über meine eigene Berufungsgeschichte nachzudenken. Vielleicht geht es den Ehepaaren ähnlich, wenn sie eine Hochzeit mitfeiern. Man erinnert sich an das Versprechen, das man vor vielen Jahren selbst abgelegt hat. Manche Begebenheiten und Erlebnisse aus den zurückliegenden Jahren kommen einem in den Sinn. Vielleicht kommen sogar Fragen auf wie: „Was hat mich damals zu diesem Schritt in meinem Leben bewogen?“ oder „Würde ich es noch einmal machen?“
Wenn Sie auf Ihre eigene „Berufungsgeschichte“, oder – einfacher gesagt – Ihr eigenes Leben zu schauen. Und auf die Lebensentscheidungen, die Sie schon treffen mussten. In welche Schule gehe ich; Welchen Beruf ergreife ich; Mit wem will ich durchs Leben gehen; Wofür oder wogegen entscheide ich mich?
Die konkreten Berufungsgeschichten der einzelnen Menschen sind sehr unterschiedlich. So wie die drei Männer mit ihren unterschiedlichen Berufungsgeschichten, die uns das Lukasevangelium heute vorstellt:
„Ich will Dir nachfolgen, wohin du auch gehst!“ (Lk 9,57b) sagt der erste. Jesus antwortet ihm nicht: „Super! Hier komm mit! Ich habe gleich diese oder jene Aufgabe für Dich!“ Die Antwort Jesu klingt nicht nur reserviert, sondern fast ablehnend: „Die Füchse haben Höhlen und die Vögel des Himmels Nester; der Menschensohn aber hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann.“ (Lk 9,58) „Wenn Du mit mir gehen willst, dann musst du darauf gefasst sein, dass es Dir so geht, wie mir: in gewisser Weise Heimatlos, sozusagen ohne festen Wohnsitz, immer unterwegs und angetrieben von dem, wozu er gesandt ist. Willst Du das? Es wird nicht so, wie Du es Dir ausmahlst, oder gerne hättest!“ Wie der junge Mann reagiert hat, ist nicht überliefert. Aber wenn ich auf meine eigene Geschichte schaue, dann gibt es Phasen, in denen die Begeisterung groß ist und auch solche, in denen die Ernüchterung im Vordergrund steht. Es ist nicht alles immer nur schön und toll und easy. Aber das ist die Wirklichkeit des Lebens. Selbst wenn ich mir darüber etwas vormachen würde, Jesus tut es nicht. Jesus schaut sehr realistisch auf das Leben.
Zu dem zweiten jungen Mann sagt Jesus: „Folge mir nach!“ (Lk 9,59) Doch der will zuerst seinen Vater begraben gehen. Hier scheint die Antwort Jesu, als ob es keine Zeit zu verlieren gelte. Auf alle Fälle gibt es wichtige und unwichtige Dinge. „Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh und verkünde das Reich Gottes!“ (Lk 9,60) Die Suche nach dem wahren Leben ist das, was dich antreiben sollte! Aber du bist auch eingespannt in die Zwänge und Bedingtheiten dieser Welt, Deiner Familie, Deines eigenen Lebens. Ob er bei Jesus geblieben oder zu seinem Toten Vater gegangen ist, wissen wir nicht. Aber ich frage mich, ob ich mich in meinem Leben von den Äußeren Zwängen gefangen nehmen lasse, oder wie ich versuchen kann, frei zu sein für das, wozu Gott mich ruft. Habe ich diese Freiheit?
Und schließlich der Dritte, der – bevor er Jesus nachfolgen will – von seiner Familie Abschied nehmen möchte. Ihm sagt Jesus das deutliche Wort: „Keiner, der die Hand an den Pflug gelegt hat und nochmals zurückblickt, taugt für das Reich Gottes.“ (Lk 9,62) Hier macht Jesus deutlich, dass es nicht nur um mich oder dich, sondern noch um etwas unvergleichlich größeres geht: er nennt es das Reich Gottes. Meine und Deine Geschichte ist eingebettet in das große Ganze, in Seine Geschichte mit mir und in Seine Geschichte mit der Menschheit.
In realistischer Weise, in großer Freiheit und eingebunden in das große Ganze ruft Jesus jeden Menschen, zumal jeden Christen. Auch Sie und mich. Lasse ich mich rufen? Und das nicht nur einmal im Leben, wenn es um die vermeidlich großen Lebensentscheidungen geht. Auch in den kleinen und alltäglichen Entscheidungen. Stehe ich IHM zur Verfügung?