Zur ersten Lesung: Gen 18,20-23
Drei Aspekte von Gott will uns dieser Text aus dem Buch Genesis nahebringen:
Der Erste: Gott fällt keine Allgemeinurteile.
Wir kennen das: Wie gerne verallgemeinern die Menschen ihr Urteil. Was EINER getan hat, das wird einer ganzen GRUPPE angelastet. Die Männer, die Frauen, die Schwiegermütter, die Jugend von heute, die Pfarrer, die Beamten, die Politiker, die Flüchtlinge. Wir könnten DIE Reihe wahrscheinlich unendlich weiterführen.
Da ist einer oder vielleicht auch mehrere, die etwas tun, sich in einer Weise verhalten oder sich gar etwas zu Schulden kommen lassen und dann kommt das Urteil über eine ganze Gruppe. DIE sollte man doch alle rausschmeißen. DIE sind doch alle gleich. Mit DENEN DA würde ICH kurzen Prozess machen. ALLE in einen Sack stecken und draufhauen…. Sie kennen sicher solche Sprüche.
Mir wird es immer ganz anders, wenn ich solche Sprüche höre. Doch ich muss zugeben: auch ich ertappe mich immer wieder dabei, wie ich – meist aus der Wut heraus oder aus sonst einer Emotion – Allgemeinurteile fälle.
Doch wenn wir uns wirklich Gott zum Vorbild nehmen – nichts geringeres ist uns als Christen aufgetragen – dann ist das ein absoluten no-go. Gott nämlich ärgert sich wohl über die Verderbtheit der Leute hier von von Sodom und Gomórra, aber es wir deutlich: Er fällt keine Allgemeinurteile.
Das Zweite, was der Text aus dem ersten Buch der Bibel, den wir als Lesung gehört haben, sagt, folgt daraus: Gott schaut auf die kleine Zahl.
Nicht nur, dass er auf den Abraham schaut und mit ihm spricht. Er lässt sich erweichen wegen fünfzig, wegen fünfundvierzig, letztlich ja sogar wegen zehn und fünf. Nicht die Masse beeindruckt ihn, sondern die Ernsthaftigkeit und das gute Handeln einer kleinen Minderheit. Und er steht anerkennend zu deren Bemühen. Er sieht ihre Verdienste, auch wenn sie zahlenmäßig in der Masse unterzugehen scheinen.
Vielleicht kennen Sie, auch das Gefühl: Bin ich hier der Einzige, der den Mund aufmacht gegen die Dummheit? Sind wir, das kleine Häuflein hier, die einzigen, die sich engagieren? Was kann ich denn mit meinen bescheidenen Mitteln tun?
Gott erkennt das geringe an. Und er wird eine böse Masse am Ende nicht über eine kleine Schar von Guten siegen lassen. Denn Gott hat eine Febel für die Kleinen, auch für die kleinen Zahlen.
Und ein Drittes sagt uns die Geschichte aus dem Buch Genesis: Gott lässt mit sich reden.
Es ist ja beinahe dreist, wie Abraham Gott hier gegenübertritt. Und die Art, wie er mit ihm handelt, erinnert an einen orientalischen Bazar, wo man um den Preis schachert. Doch Gott lässt das nicht nur geschehen. Er lässt sich darauf ein. Ja, er lässt sich durch das Feilschen des Abraham immer mehr erweichen.
Gott ist kein Automat, bei dem man oben möglichst viele Gebetsmünzen einwerfen muss, um nachher möglichst viel von ihm zu bekommen. Er ist auch nicht dumm oder ignorant, sodass wir ihm erst sagen müssten, was wir von ihm wollen, weil er selbst es vielleicht nicht weiß. Aber Gott will, dass wir mit ihm reden. Und ihm nicht nur fromme Sprüche aufsagen, sondern wirklich von Person zu Person so sprechen, als ob wir einen anderen Menschen vor uns haben.
Die Art wie Abraham hier mit Gott feilscht zeigt mir: Auch auch ich darf – auch wir dürfen mit ihm ringen. Auch wir brauchen uns IHM gegenüber nicht verstecken und auch kein Blatt vor den Mund nehmen.
Manchmal frage ich mich: sind wir eigentlich zu feige zu einem Gebet so richtig aus dem Herzen?
Drei Dinge entnehme ich aus dem Zwiegespräch von Abraham mit Gott:
1. Gott fällt keine Allgemeinurteile
2. Gott hat einen Febel für die Kleinen – auch für die kleinen Zahlen
Und 3. Gott lässt mit sich reden – immer, in jeder Weise und über alles.