Auch wir gehören zu den Zweiundsiebzig – Predigt zum 14. Sonntag im Jahreskreis

Lk 10,1-20 (Mit einigen an dem griechischen Text näherkommenden Veränderungen.)

Danach bestimmte der Herr zweiundsiebzig andere und sandte sie zu zweit vor sich her in alle Städte und Ortschaften, in die er selbst gehen wollte. Er sagte zu ihnen: Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter. Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden! Geht! Siehe, ich sende euch wie Lämmer mitten unter Wölfe. Nehmt keinen Geldbeutel mit, keine Vorratstasche und keine Schuhe! Grüßt niemanden auf dem Weg! Wenn ihr in ein Haus kommt, so sagt als Erstes: Friede diesem Haus! Und wenn dort ein Sohn des Friedens wohnt, wird euer Friede auf ihm ruhen; andernfalls wird er zu euch zurückkehren. Bleibt in diesem Haus, esst und trinkt, was man euch anbietet; denn wer arbeitet, ist seines Lohnes wert. Zieht nicht von einem Haus in ein anderes! Wenn ihr in eine Stadt kommt und man euch aufnimmt, so esst, was man euch vorsetzt. Heilt die Kranken, die dort sind, und sagt ihnen: Das Reich Gottes ist euch nahe! Wenn ihr aber in eine Stadt kommt, in der man euch nicht aufnimmt, dann geht auf die Straße hinaus und ruft: Selbst den Staub eurer Stadt, der an unseren Füßen klebt, lassen wir euch zurück; doch das sollt ihr wissen: Das Reich Gottes ist nahe. Ich sage euch: Sodom wird es an jenem Tag erträglicher ergehen als dieser Stadt. Weh dir, Chorazin! Weh dir, Betsaida! Denn wenn in Tyrus und Sidon die Machttaten geschehen wären, die bei euch geschehen sind – längst schon wären sie in Sack und Asche umgekehrt. Doch Tyrus und Sidon wird es beim Gericht erträglicher ergehen als euch. Und du, Kafarnaum, wirst du etwa bis zum Himmel erhoben werden? Bis zur Unterwelt wirst du hinabsteigen! Wer euch hört, der hört mich, und wer euch ablehnt, der lehnt mich ab; wer aber mich ablehnt, der lehnt den ab, der mich gesandt hat. Die Zweiundsiebzig kehrten zurück und sagten voller Freude: Herr, sogar die Dämonen sind uns in deinem Namen untertan. Da sagte er zu ihnen: Ich sah den Satan wie einen Blitz aus dem Himmel fallen. Siehe, ich habe euch die Vollmacht gegeben, auf Schlangen und Skorpione zu treten und über die ganze Macht des Feindes. Nichts wird euch schaden können. Doch freut euch nicht darüber, dass euch die Geister gehorchen, sondern freut euch darüber, dass eure Namen im Himmel verzeichnet sind!

Nachdem Jesus im vorigen Kapitel des Lukasevangeliums die Zwölf (Apostel) ausgesandt hatte (Lk 9,1-6), bestimmt ER Zweiundsiebzig – vermutlich Frauen und Männer – und schickt sie jeweils zu zweit als seine Vorhut in die Dörfer, in die er selber auf seinem Weg nach Jerusalem noch kommen will. Die Zahl Zweiundsiebzig lässt an die Zahl der Völker der Erde in der griechischen Übersetzung des Alten Testamentes denken (Heininger). Und wie die Zwölf (Diese Zahl erinnert uns ja auch an die zwölf Stämme Israels!), weist er auch die Zweiundsiebzig an, keine Ausrüstung mitzunehmen, „keinen Geldbeutel, keine Vorratstasche und keine Schuhe“ (Lk 10,4). Sie sollen sich nicht mit palavern aufhalten (vgl. Lk 10,4) und sich mit dem begnügen, was ihnen dort wo sie hinkommen zur Verfügung gestellt wird (vgl. Lk 10,7&8). Ihre Botschaft an die Menschen soll sein: „Das Reich Gottes ist euch nahe!“ (Lk 10,9&11). Sie sollen das Heil – Heilung für die Kranken – bringen (Lk 10,9). Auf griechisch weist Jesus sie an: „θεραπεύετε (therapeuete)“. Was die Zweiundsiebzig tun werden ist eine Therapie. Sie sollen das Heil verkünden und bringen.

In die Häuser, in die sie kommen, sollen sie den Frieden tragen (Lk 10,5). Da wo sie nicht aufgenommen werden, sollen sie sich auch nicht lange aufhalten. Die Enttäuschung darüber sollen sie wie den Staub von den Füßen abschütteln und dennoch verkünden: „Das Reich Gottes ist nahe!“ (Lk 10,11) 

Was sagt uns, der Kirche heute, uns, die wir hier heute in der Kirche versammelt sind die Aussendung der Zweiundsiebzig? 

Unabhängig von unserer Zahl (Ich glaube es ist nicht so wichtig, ob wir mehr oder weniger als zweiundsiebzig sind!) bestimmt Jesus auch heute über die Apostelnachfolger – die Amtsträger – hinaus Menschen, die in die Welt gehen und das Heil, das Reich Gottes, verkünden und bringen sollen. „Therapeutisch“ in der kranken Welt, wirken; den Menschen, die sich nach Heilung sehnen, das Heil verkünden und bringen. Den Frieden in die Häuser und Wohnungen tragen. „Die Ernte ist groß!“ (Lk 10,2) – auch heute! Die Menschen warten auch heute auf die Botschaft und die Erfahrung der Nähe Gottes. Auch wenn viele sich diese Botschaft und diese Erfahrung nicht (mehr) von der Institution Kirche erwarten, sondern über sie enttäuscht sind. Uns, Sie und Dich und mich, bestimmt Jesus dazu, mitzumachen und in unsere Welt zu gehen und die heilende Nähe Gottes zu bringen, in Worten und in Taten.

Wie damals trifft man auch heute auf offene und auf taube Ohren. Wie die Zweiundsiebzig werden auch wir mit diesem Anliegen bei manchen aufgenommen und mancherorts auf Ablehnung stoßen. Doch das soll uns nicht aufhalten, dennoch zu sagen und zu zeigen, dass Gott nahe ist.

Übrigens kann das mit den tauben Ohren durchaus für unsere traditionellen und vermeintlich gut katholischen Gemeinden auch zutreffen. Würde Jesus heute dann vielleicht sagen „Weh dir, Ottmaring! Weh dir, Paar! Denn wenn in Frankfurt und Hamburg die Machttaten geschehen wären, die bei euch geschehen sind – längst schon wären sie in Sack und Asche umgekehrt! Und du, Rinnenthal, wirst du etwa bis zum Himmel erhoben werden“ (vgl. Lk 10,13&15)?

Was sagt uns, der Kirche heute, uns, die wir hier heute in der Kirche versammelt sind die Aussendung der Zweiundsiebzig? 

Auf alle Fälle will uns Jesus mehr als ermutigen, so wie die damals von ihm bestimmten Männer und Frauen, in unsere Welt zu gehen, das Heil, das Gottes Nähe bedeutet, zu bringen, mit Worten und von allem mit heilsamen Taten. Lassen wir uns dabei nicht beirren, wenn es auch mal nicht so klappt, wie wir es uns wünschen würden. Gleichzeitig: passen wir auf, dass wir nicht meinen, dass wir selbst ja schon das Heil sicher „in der Tasche“ hätten. Und wenn unsere „Mission“ erfolgreich ist, dann dürfen wir uns darüber freuen, aber noch wichtiger als das und noch mehr Grund zur Freude soll uns sein, dass auch „unsere Namen im Himmel verzeichnet sind“ (Lk 10,20) sind.


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