Wichtiger als die Gesundheit – Predigt zum 28. Sonntag im Jahreskreis Lj.C

Wenn einem jemand zum Geburtstag gratuliert, oder aus einem anderen Anlass Glückwünsche sagt, dann hört man sehr oft die Bemerkung: „Vor allem wünsche ich Dir Gesundheit, denn Gesundheit ist doch das Wichtigste.“

Ich freue mich immer über Glückwünsche. Aber ich weiß nicht, ob Gesundheit das WICHTIGSTE im Leben ist. Gesundheit ist sicherlich ein hohes Gut. Ich wünsche jedem – auch mir selbst – von Krankheit verschont zu bleiben. Aber ist Gesundheit das WICHTIGSTE? Hat also ein Kranker, zumal ein chronisch kranker Mensch das WICHTIGSTE verpasst? Gibt es auf der Skala der wichtigsten Dinge im Leben nicht noch WICHTIGERES, als nicht krank zu sein?

Ich glaube, dass uns Corona und vor allem die Folgen der Corona Maßnahmen gezeigt haben, dass es Dinge gibt, die in ihrer Wichtigkeit über die Gesundheit hinaus gehen. Die Erfahrung von Nähe, Geborgensein, Berührung und Zärtlichkeit, gerade dann, wenn ich mich schwach fühle, wenn ich krank und einsam bin. 

Ich denke an die vielen Patienten und Bewohner in Altenheimen, die ohne die Nähe ihrer Lieben – ganz allein gelassen – sterben mussten. Ich denke an die Kinder, die das Fehlen der erfahrbaren Gemeinschaft ihrer Freunde sogar krank gemacht hat.

Ich denke aber auch an meine Erfahrungen mit behinderten Menschen. Von denen können wir, die wir an keinen Gebrechen leiden, viel lernen. Auch, dass Freude, Zufriedenheit und Glücklichsein wertvoller sind als die tadellose Funktion unseres Körpers. 

Ist Gesundheit wirklich das WICHTIGSTE? 

Im Evangelium begegnen Jesus heute zehn Aussätzige. An Lepra erkrankte Menschen. Wegen ihrer ansteckenden Erkrankung waren sie aus der Gemeinschaft der Familie und der Siedlung „ausgesetzt“, mussten vor der Stadt „hausen“. Mit ihnen Kontakt zu haben war verboten. Eine Heilung war nicht in Aussicht. Übrigens gab es 2020 weltweit immer noch 127.506 Neuansteckungen mit Lepra. (Wikipedia)

Durch Corona wissen die meisten von uns, was Kontaktbeschränkungen sind und wie sich Quarantäne anfühlt. Für den Aussätzigen war das lebenslänglich ohne Aussicht auf Genesung.

„Jesus, Meister, hab Erbarmen mit uns!“ (Lk 17,13) „ἐλέησον ἡμᾶς“, „hab Mitleid mit uns“ (Wussow) rufen die zehn aussätzigen Jesus zu. Der berührt sie nicht, schickt sie zu den Priestern, die dafür zuständig waren, die „Reinheit“ festzustellen. Und unterwegs wurden sie rein. (vgl. Lk 17,14) Sozusagen amtlich bestätigt genesen, wieder gesund, können sie wieder in ihre Familien in die Gemeinschaft des Ortes zurückkehren. Ihr Leben hat wieder eine Perspektive, wieder einen Sinn. Ihre Freude und Erleichterung kann man sich vorstellen.

Einer von ihnen sieht tiefer. Schaut durch auf den Grund für seine Genesung. Lobt Gott mit lauter Stimme. Kehrt zurück zu Jesus und dankt ihm (vgl. Lk 17,16f). 
Man fragt sich, wo die übrigen neun bleiben. Jesus fragt sich das auch (vgl. Lk 17,17). Denen scheint die Gesundheit das Wichtigste zu sein.

Der eine, der zu Jesus zurückkommt, der Gott laut für seine Genesung lobt, ist ausgerechnet (wie in dem berühmten Gleichnis das Jesus erzählt) wieder ein Samariter. Ausgerechnet wieder einer mit dem für die frommen Juden falschen Glauben. Ausgerechnet so einer hat kapiert, dass mit ihm noch was weit Größeres geschehen ist.
Jesus bringt es ins Wort: „dein Glaube hat dich gerettet“ (Lk 17,19).

Gerettet zu sein. Heil zu sein. Das ist weit mehr, als körperlich gesund zu sein.

Ist Gesundheit das WICHTIGSTE?

Mir scheint die Begebenheit, mit den zehn Aussätzigen die wieder gesund werden und dem einen der mehr versteht, zu zeigen, was es noch Wichtigeres gibt:
Gerettet zu sein. Die Erfahrung von Gottes Wirken machen zu können. SEINE Nähe und die Nähe von Menschen zu erleben. Heil zu sein. Eine Perspektive zu haben, die über das Vordergründige und Sichtbare hinausgeht. Tiefer sehen zu können als nur auf das sichtbare und spürbare.

Ich wünsche Ihnen allen Gesundheit und all das, was noch wichtiger ist als die.

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