Krankheit zur Verherrlichung Gottes? – Predigt am 5. Sonntag in der Fastenzeit

Am vergangenen Sonntag haben wir im Evangelium die Erzählung von der Heilung des Blindgeborenen gehört. Ein Mann war von Geburt an Blind und begegnete Jesus und seinen Jüngern. Die fragten Jesus: „Wer hat gesündigt? Er selbst oder seine Eltern, sodass er blind geboren wurde? Jesus antwortete: Weder er noch seine Eltern haben gesündigt, sondern die Werke Gottes sollen an ihm offenbar werden.“ (Joh 9,2-3)

Zu Beginn des Evangeliums, das wir gerade eben gehört haben, erfährt Jesus von der Krankheit seines Freundes Lazarus und sagt: „Diese Krankheit führt nicht zum Tod, sondern dient der Verherrlichung Gottes. Durch sie soll der Sohn Gottes verherrlicht werden.“ (Joh 11,4)

Krankheit, die zur Verherrlichung Gottes dienen soll? Es könnte wie Hohn klingen, wenn man so etwas einem Menschen, der krank ist, der unter seiner Krankheit leidet, der Schmerzen hat und vielleicht sogar fürchtet sterben zu müssen, sagt. Der Patient – der leidende Mensch – könnte sich alles andere als ernstgenommen und vielleicht sogar verhöhnt vorkommen. 
Doch das ist ganz sicher nicht die Absicht Jesu. An vielen Stellen in den Evangelien wendet sich Jesus ganz besonders kranken und leidenden Menschen zu. Er identifiziert sich sogar mit ihnen, wenn er sagt: „Ich war krank und ihr habt mich besucht.“ (Mt 25,36) Die Liste der Heilungswunder Jesu in den Evangelien ist lang. Wir können also zu Recht festhalten, dass Jesus Krankheit ernst nimmt und noch mehr den kranken Menschen ernst nimmt.

Was heißt es also, wenn er selber davon spricht, dass die Krankheit des Blindgeborenen und die Krankheit, ja sogar der Tod des Lazarus „zur Verherrlichung Gottes“ dienen sollen?
Zu meinen, dass Krankheit die Folge von persönlichen Verfehlungen, also eine Strafe Gottes sein könnte, ist ganz sicher nicht im Sinne Jesu. Das stellt er seinen Jüngern angesichts des Blindgeborenen ja eindeutig klar (vgl. Joh 9,3). Und genauso kann ich mir das Umgekehrte – Gesundheit als Folge eines heiligmäßigen Lebenswandels und Genesung als Belohnung für genügend Beten – nicht im Sinne Jesu vorstellen.

Vor allem müssen wir festhalten, dass Jesus den kranken Menschen ernst nimmt und sich den Kranken zuwendet. Manche heilt er. Viele heilt er nicht. Ja er weckt sogar welche von den Toten auf, wie beispielsweise den Lazarus. ER zeigt damit, dass ER das Heil schaffen möchte. Und Heil ist mehr – viel mehr – als körperliche Gesundheit. ER zeigt durch die Totenerweckungen, dass ER der Herr des Lebens ist. Leben ist aber mehr – viel mehr – als die Vitalfunktionen des Körpers.

Doch alle, die von Jesus geheilt wurden, und alle, die ER von den Toten auferweckt hat, sind nicht mehr am Leben. Zumindest nicht mehr im irdischen Leben. Krankheit und Tod in der Welt sind auch nach Jesus eine schmerzliche Wirklichkeit.
Aber wenn HEIL mehr ist als Gesundheit und LEBEN mehr als Vitalfunktionen, weist dann das, was Jesus „zur Verherrlichung Gottes“ an den Kranken tut, nicht auf dieses MEHR hin? Auf das wahre HEIL und das wahre LEBEN?
Und das ist offensichtlich nicht auf Dauer hier.

In dem Gespräch mit Martha, der Schwester des Lazarus, sagte Jesus: „Dein Bruder wird auferstehen. Marta sagte zu ihm: Ich weiß, dass er auferstehen wird bei der Auferstehung am Jüngsten Tag. Jesus sagte zu ihr: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben.“ (Joh 11,23-26) 
Jesus weist mit diesen Worten über das Hier auf dieser Welt, über das endliche Leben hinaus in die Ewigkeit. Das zeigt uns der Evangelist mit Hilfe des Berichtes von der Krankheit, dem Tod und der Auferweckung des Lazarus. So dient die Krankheit des Lazarus der Verherrlichung Gottes. Dient dazu zu zeigen, dass Jesus Christus der HERR auch des LEBENS ist.

Mich beeindruckt nicht nur das Zeichen, das Jesus wirkt. Mich beeindruckt auch seine Erschütterung, seine Erregung, sein Weinen über den Tod seines Freundes Lazarus. Jesus steht nicht über dem Leid. ER Stellt sich dem Leid. ER hat im wahrsten Sinn des Wortes MIT-LEID. Und ER erweckt zum neuen Leben. Den Lazarus sogar zweimal. Und alle, die zu IHM gehören, einmal nach diesem irdischen Leben. 

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