Jesus, wie ein Einbrecher – Predigt zum Ersten Adventssonntag

„Seid also wachsam!“ (Mt 24,42) liebe Schwestern und Brüder! und „Haltet auch ihr euch bereit!“ (Mt 24,44)

Wenn man diese Aufforderungen Jesu hört, könnte man vermuten, dass er davor warnt, nicht dem Bösen auf den Leim zu gehen. „Passt auf, dass Ihr nicht sündigt!“ – „Vorsicht vor dem Teufel!“ – „Achtung, da sind Eure Feinde unterwegs!“
Das wären sicher keine falschen Ermahnungen.

Jesus spricht in seinem Vergleich sogar von einem Dieb, der in das Haus einbrechen möchte.
Aber genau besehen vergleicht er SEIN Kommen, das Kommen des Menschensohnes, mit dem, was der Einbrecher tut. Ist es nicht etwas komisch, dass Jesus diesen Vergleich wählt? Ist doch ein Einbruch ganz und gar nichts Gutes und seine Folgen für die Menschen, bei denen eingebrochen wird, sind deutlich. Sie müssen nicht nur mit den materiellen Folgen, sondern auch mit den psychischen Folgen des Einbruchs klarkommen.
Aber dennoch, oder vielleicht sogar deswegen, verwendet Jesus den Vergleich mit dem Einbruch.

Der Springende Punkt in seinem Vergleich ist ja das Kommen des Menschensohnes, die παρουσία (Parusie) (vgl. Mt 24,37). WANN sich die ereignen wird, wissen „auch nicht die Engel im Himmel, nicht einmal der Sohn, sondern nur der Vater“ (Mt 24,36). 

Über den Zeitpunkt zu spekulieren ist also müßig. Aber DASS Jesus wieder kommen wird, ist klar, ist Teil unseres Glaubensbekenntnisses: Wir glauben an Jesus Christus, „er sitzt zur Rechten des Vaters und wird wiederkommen in Herrlichkeit.“ (vgl. Nicäno-Konstantinopolitanum) So beten wir im Großen Glaubensbekenntnis.

Auf diese Wiederkunft nicht nur zu warten, sondern darauf so vorbereitet zu sein wie ein Hausbesitzer, der nicht möchte, dass in sein Haus eingebrochen wird, dazu fordert uns Jesus auf. Es geht ihm dabei nicht darum, dass man nicht mehr ein Leben führt, wie es Menschen eben tun: essen und trinken, eine Familie haben und arbeiten. (vgl. Mt 24,38ff) Aber es geht darum, damit zu rechnen, DASS Jesus kommt.

Aber – so könnte jemand einwenden – bis jetzt ist ER ja auch noch nicht gekommen. Die Parusie, die Wiederkunft Christi, lässt augenscheinlich immer noch auf sich warten. Auf die Dauer ist es ja nicht nur anstrengend, sondern auch ermüdend, ja nervig, dass das ER uns so lange warten lässt.
Den frühen Christen, die damit gerechnet haben, dass Christus bald kommen müsse, war das wirklich ein Problem. Und auch wir müssen immer noch auf das große Ereignis, das großartige, endzeitliche Erscheinen des Menschensohnes warten.

Aber derweil kommt Jesus ja bereits bei so vielen Gelegenheiten und ist auch schon da.
Er kommt, wenn wir IHN einladen. Er kommt in unsere Familien. Er ist da bei unserer Arbeit.
Ich kann ihn erleben, wenn wir uns treffen, miteinander etwas vorbereiten, miteinander beten, miteinander sprechen.
Wir können IHN spüren, wenn wir die Stille suchen, und wenn wir das Leben und unsere Sorgen und Freuden 
teilen.
SEINE Gegenwart wird sichtbar, wenn Neues entsteht und wenn Althergebrachtes aktualisiert wird.
Jesus ist lebendig, wo Versöhnung und Heilung geschieht.

Ich glaube, dass uns das Warten leichter fällt, wenn wir uns das immer wieder vor Augen stellen: Jesus ist schon DA! Ich denke, dass die Erfahrung der aktuellen Gegenwart Jesu uns helfen kann, zuversichtlich auf den großen unbekannten Zeitpunkt der Parusie zu schauen.

Sollten wir nicht auch einen Blick und eine neue Wachsamkeit dafür entwickeln, Jesus Christus im Hier und Jetzt zu entdecken? SEINE Wiederkunft ist nämlich nicht nur ein Ereignis irgendwann in näherer oder fernerer Zukunft. SEINE Wiederkunft ereignet sich auch jetzt schon, hier und heute. Sie ereignet sich, wo Menschen zu Gott finden, und wo Menschen zueinander finden. Wo Menschen den Sinn entdecken, der hinter ihrem Leben und hinter dem was geschieht, liegt.

SEINE Wiederkunft ist nicht planbar, aber der Wachsame kann sie entdecken. Seine Gegenwart ist so stark und folgenreich, wie der unerwartete Einbruch in mein Haus. Seine Gegenwart hat Folgen für mein Leben, für meine materiellen und geistigen Werte und für meine künftige Sicht der Welt.

Wäre es nicht eine adventliche Übung, in den kommenden Wochen wachsam und bereit zu schauen und wahrzunehmen, wo ER schon da ist und uns begegnet?

Ich glaube, dass eines der massivsten Probleme in der Kirche und unter uns Gläubigen ist, dass wir nicht mehr oder viel zu wenig Jesus Christus sehen.

Haltet Euch also bereit! Seien wir wachsam! Rechnen wir damit, dass ER bei uns einbrechen will! Nicht um uns etwas zu stehlen, wohl aber um uns die Angst und die Hoffnungslosigkeit zu nehmen und uns unsere wahre Zukunft zu schenken.

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